Yücel Çakmaklı wurde 1937 als Sohn eines Beamten und seiner Ehefrau in Afyon (westanatolische Stadt in der Türkei) geboren. Die Mutter war Angehörige einer muslimischen Ordensgemeinschaft, des Mevlevi-Ordens (eine mystische Strömung des Islams). Durch den frühen Tod seines Vaters kamen Çakmaklı und seine drei Geschwister bei den Verwandten unter. Er selbst wuchs anschließend bei seinen Großeltern auf. Da das Dorf, in dem er lebte von der Schule sehr weit entfernt lag, wurde er während der Schulzeit in einem Waisenhaus untergebracht. Sein Großvater, ein Dorfimam, spielte eine wichtige Rolle im Leben des Filmemachers. So erzählt Çakmaklı in einem Interview, dass ihn schon damals die Geschichten seines Großvaters faszinierten. Seine Leidenschaft für das Geschichtenerzählen entdeckte er bei dessen Predigten während der Fastenzeit im Ramadan.1

Nach der Grund- und Sekundarschule kam er 1955 nach Istanbul, um Wirtschaft zu studieren. Während seines Studiums übte er unterschiedliche Aushilfstätigkeiten aus. Er war unter anderem als Platzanweiser tätig. Prägend war sicher auch sein Job als Programmersteller im Şan Sineması, welches im Jahre 1953 erbaut wurde und ein beliebtes Kulturzentrum in Istanbul der 1980er Jahre war. Nach seinem Militärdienst kehrte er zurück nach Istanbul und fing an, als Filmkritiker für die Zeitung Yeni İstanbul und Zeitschriften wie Düşünen Adam und Yeni İstiklal zu arbeiten.

Vor Beginn seiner Karriere in der Filmbranche beschäftigte er sich mit philosophisch-theoretischen Ansätzen eines sogenannten „Millî Sinema“. Als Gegenströmung zum pronationalen (Halit Refiğ) und links-revolutionärem Kino (Yımaz Güney) der 1960er und 1970er Jahre entwickelte Çakmalı eine pro-islamische Filmrichtung. 1964 verfasste er das Filmmanifest „Millî Sinema“ („Nationales Kino“), „welches die historischen und nationalen Werte der Türkei hervorhebt und den Islam als übergeordnete und allumfassende Instanz erklärt. Das Türkische, Anatolische, Osmanische als wertzuschätzende Identität der Bevölkerung, also des sogenannten „millets“ (daher auch der Name seiner Filmprogrammatik) spielt[e] zwar nach wie vor eine wesentliche Rolle, [war] aber dem Islam unterzuordnen“ (Alkin, 2020: 34). Sein erster Kinofilm Birleşen Yollar (1970) ist die filmische Auseinandersetzung mit seiner islamisch-nationalen Weltanschauung. Birleşen Yollar war nämlich
– wie die meisten seiner darauffolgenden Werke – die Verfilmung eines Klassikers der islamischen Literatur, und zwar des Romans „Huzur Sokağı“ von Şule Yüksel Şenler, in dem es um die Geschichte einer High-Society Frau geht, die sich in einen verarmten, gläubigen Mann verliebt und ihr Leben ins Fromme wandelt.

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Die ersten Erfahrungen in der Filmindustrie sammelte Çakmaklı als Regieassistent bei bekannten Yeşilçam2 -Regisseuren (u.a. Osman F. Seden und Orhan Aksoy). 1969 gründete er seine eigene Filmproduktionsfirma Elif Film. Seine Schaffensphasen teilt der Filmemacher in 3 Perioden ein: Zwischen 1970 und 1975 ist die Schaffensphase von den ersten Kinofilmen. Anschließend kommt die Periode (1975-1990) der Produktion von Fernsehserien für die öffentlich-rechtliche Rundfunkgesellschaft der Türkei TRT (Türkiye Radyo ve Televizyon Kurumu). Dabei erhielt er für die TV-Filme Çok Sesli Bir Ölüm (1977) und Çözülme (1977) den Jurypreis des Prague Film Festivals (1978). In der letzten Phase zwischen 1990 und 2006 realisierte Çakmaklı vor allem Dreharbeiten zu Serien und Kinofilmen für den privaten Sektor.

Für seine Fernsehproduktionen erhielt er im Jahre 2008 die State Medal of Distinguished Service (Devlet Üstün Hizmet Madalyası). In seiner von 1969 bis 2004 andauernden aktive Schaffensphase realisierte Çakmaklı zahlreiche Kino- und TV-Filme sowie Fernsehserien, mit denen er den in seinem Filmmanifest artikulierten Grundgedanken umzusetzen versuchte: Das türkische Kino müsse solche „Filme hervorbringen […], die den Glauben des türkischen Volkes (samt ihrer Dörfler und Städter) an die Überlegenheit der geistigen Werte vor dem Materiellen, die nationalen Charaktere [und] die mit Traditionen hervorgebrachte anatolische Realität widerspiegeln“ (Çakmaklı 2014 [1964], Übersetzung aus Alkin 2019).

Çakmaklıs Weltanschauung und Drehbücher wurden von türkischen Schriftsteller*innen und Dichter*innen wie Necip Fāzıl Kısakürek, Peyami Safa, Tarık Buğra oder Şule Yüksel Şenler, dessen Werke eine türkisch-islamische Wertorientierung akzentuieren, geprägt.

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Cakmaklıs Schaffen beruhte dabei auf einer engen Verbindung zwischen der islamisch-konservativen Literatur jener Jahre und intellektuellen Figuren. Die Wahrung der nationalen Kultur und Identität sowie die Kritik einer Internalisierung westlicher Kultur stehen im Sinne des Okzidentalismus im Mittelpunkt der meisten seiner insgesamt 32 Produktionen (21 Filme und 11 Serien).

Er starb im Jahre 2009 im Zuge einer Herzoperation und wurde im Beisein des damaligen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan beigesetzt.

Text und Redaktion: Hayriye Kapusuz

1 https://www.karar.com/yazarlar/hakan-albayrak/yucel-cakmaklinin-enistesine-verdigi-soz-4772 (Zugriff am 10. März 2021).
2 Die Yeşilçam-Ära war mit teilweise mehr als 300 Filme pro Jahr eine der produktivsten Phasen türkischer Filmhistorie zwischen 1960-1980.

Quellen:
Alkın, Ömer (2019): Die visuelle Kultur der Migration. Geschichte, Ästhetik und Polyzentrierung des Migrationskinos. Reihe: Postmigrantische Studien. Bielefeld: transcript Verlag.

Alkın, Ömer: Erinnerungskultur und Mediengeschichte postmigrantisch. Die Figur der Migration im türkischen Kino. In: Sungu, Can & Lippmann, Malve (Hg.) (2020): Please Rewind. Berlin: Archive Books, 26-37.

Çakmaklı, Yücel: Milli Sinema Ihtiyacı. In: Evren, Burçak (Hg.) (2014): Yücel Çakmaklı. Milli sinemanın kurucusu. Istanbul: Küre Yayınları, 16-17.